Kirill Bulytschow
Die lila Kugel
(Kinderbuchverl. Berlin, 1986, 127 S., 4,80 M)
Der Gebirgspass
(Verl. Das Neue Berlin, 1986, 198 S., 5,80 M)
(Eine Rezension zu zwei Büchern von Kirill Bulytschow von Karsten Kruschel) (Volksstimme vom 25. 7. 1987)
Zu den führenden Autoren der sowjetischen Science Fiction zählt der Orientalist Igor Moshejko, bekannter unter seinem Pseudonym Kir Bulytschow. Jetzt erschienen zwei seiner neueren Erzählungen bei uns.
"Die lila Kugel" ist eine Fortsetzung der Geschichten um die respektlose Alice (Das Mädchen von der Erde, DDR 1984), die hier keine naseweise Göre mehr ist, sondern ein mutiges Mädchen, das sich Alissa nennt. Sie findet auf einer Expedition zusammen mit ihrem Vater, jenem geplagten Zoologen, die Wahrheit über das Schicksal einer fremden Zivilisation heraus. Diese hat sich selbst ausgerottet, indem man die letzte Waffe erfand - einen Virus des Bösen und der Barbarei. Eine lila Kugel mit jenen Viren hat man vor dem Untergang auf der Erde versteckt. Alissa rast mit einer Zeitmaschine in die Vergangenheit - als es noch Hexen, Riesen und Drachen gab - und schafft es natürlich, die lila Kugel unschädlich zu machen. Neben den bunten Abenteuern und lustigen Einfällen, die die Kinder, an die das Buch sich wendet, sicherlich amüsieren, gibt es doch noch eine weitergehende Botschaft - daß das Böse, die Barbarei nicht naturgegeben ist, daß es von Menschen gemacht wird und daß es mit der Abwesenheit von Wissen zu tun hat.
Dasselbe Problem, wenn auch auf einer völlig anderen Ebene, steht im "Der Gebirgspass" im Mittelpunkt: die Barbarei ist hier eine Drohung, der sich eine kleine Gemeinschaft von Menschen ausgesetzt sieht. Es handelt sich um schiffbrüchige Raumfahrer, die mit einer überaus feindlichen Umwelt kämpfen müssen. Dieser Kampf ums Überleben droht nicht nur das Wissen um die ferne und vorerst unerreichbare Heimat zu verschütten. Er beginnt, unter den Nachgeborenen jener Raumfahrer eine gefährliche Auslese zu treffen. Anpassung an den fremden Planeten, Aggressivität, rasche Reaktion, physische Kraft, Gewandheit sind jene Eigenschaften, die den einen fürs Überleben geeigneter machen. Nicht nur das Wissen der Menschheit ist scheinbar entwertet, auch moralische und ethische Werte geraten ins Hintertreffen, Rücksichtnahme, Einfühlungsvermögen, Freundschaft, Treue und anderes bieten nun einmal keinen Vorteil im ständigen Überlebenskampf.
Der alte Lehrer, dessen größte Sorge ist, die Kinder in dieser Welt nicht zu Wilden werden zu lassen, muß dann doch diese Kinder in die Wildnis schicken, in der sie vielleicht umkommen. Das weit entfernte havarierte Raumschiff wird zum schier weltentrückten Ziel, das zu erreichen zur einzigen Möglichkeit wird, den Rückfall in die Urzeit aufzuhalten.
Diese Expedition wird in der Erzählung geschildert - als Gelegenheit für Bulytschow, den "wilden" gegen den "untauglichen" Charakter auszuspielen, beide Lebensauffassungen zu testen. Dabei sind die handelnden Figuren keine Sprachröhren, sie werden durch Bulytschows Fähigkeit zu lebendiger Personengestaltung zu faßbaren Menschen. Um die tut es einem fast leid, als die Erzählung abbricht, nachdem das Ziel in mehrfacher Hinsicht erreicht ist. Das Schiff ist erreicht, und die Barbarei, die aus Nichtwissen entsteht, ist bloßgestellt. Dies um so schonungsloser, wenn sie aus dem Willen, nicht wissen zu wollen, entsteht.
Noch eine Bemerkung zu den Illustrationen der beiden Bändchen, die sich kraß unterscheiden. Während die zu "Die lila Kugel" angemessen erscheinen (Kinderbuchverlag), sind die zu "Der Gebirgspass" wohl die am wenigsten überzeugenden, die ich je in einem SF-Buch fand.. Das hat Bulytschows Buch kaum verdient.
Die lila Kugel
(Kinderbuchverl. Berlin, 1986, 127 S., 4,80 M)
Der Gebirgspass
(Verl. Das Neue Berlin, 1986, 198 S., 5,80 M)
(Eine Rezension zu zwei Büchern von Kirill Bulytschow von Karsten Kruschel) (Volksstimme vom 25. 7. 1987)
Zu den führenden Autoren der sowjetischen Science Fiction zählt der Orientalist Igor Moshejko, bekannter unter seinem Pseudonym Kir Bulytschow. Jetzt erschienen zwei seiner neueren Erzählungen bei uns.
"Die lila Kugel" ist eine Fortsetzung der Geschichten um die respektlose Alice (Das Mädchen von der Erde, DDR 1984), die hier keine naseweise Göre mehr ist, sondern ein mutiges Mädchen, das sich Alissa nennt. Sie findet auf einer Expedition zusammen mit ihrem Vater, jenem geplagten Zoologen, die Wahrheit über das Schicksal einer fremden Zivilisation heraus. Diese hat sich selbst ausgerottet, indem man die letzte Waffe erfand - einen Virus des Bösen und der Barbarei. Eine lila Kugel mit jenen Viren hat man vor dem Untergang auf der Erde versteckt. Alissa rast mit einer Zeitmaschine in die Vergangenheit - als es noch Hexen, Riesen und Drachen gab - und schafft es natürlich, die lila Kugel unschädlich zu machen. Neben den bunten Abenteuern und lustigen Einfällen, die die Kinder, an die das Buch sich wendet, sicherlich amüsieren, gibt es doch noch eine weitergehende Botschaft - daß das Böse, die Barbarei nicht naturgegeben ist, daß es von Menschen gemacht wird und daß es mit der Abwesenheit von Wissen zu tun hat.
Dasselbe Problem, wenn auch auf einer völlig anderen Ebene, steht im "Der Gebirgspass" im Mittelpunkt: die Barbarei ist hier eine Drohung, der sich eine kleine Gemeinschaft von Menschen ausgesetzt sieht. Es handelt sich um schiffbrüchige Raumfahrer, die mit einer überaus feindlichen Umwelt kämpfen müssen. Dieser Kampf ums Überleben droht nicht nur das Wissen um die ferne und vorerst unerreichbare Heimat zu verschütten. Er beginnt, unter den Nachgeborenen jener Raumfahrer eine gefährliche Auslese zu treffen. Anpassung an den fremden Planeten, Aggressivität, rasche Reaktion, physische Kraft, Gewandheit sind jene Eigenschaften, die den einen fürs Überleben geeigneter machen. Nicht nur das Wissen der Menschheit ist scheinbar entwertet, auch moralische und ethische Werte geraten ins Hintertreffen, Rücksichtnahme, Einfühlungsvermögen, Freundschaft, Treue und anderes bieten nun einmal keinen Vorteil im ständigen Überlebenskampf.
Der alte Lehrer, dessen größte Sorge ist, die Kinder in dieser Welt nicht zu Wilden werden zu lassen, muß dann doch diese Kinder in die Wildnis schicken, in der sie vielleicht umkommen. Das weit entfernte havarierte Raumschiff wird zum schier weltentrückten Ziel, das zu erreichen zur einzigen Möglichkeit wird, den Rückfall in die Urzeit aufzuhalten.
Diese Expedition wird in der Erzählung geschildert - als Gelegenheit für Bulytschow, den "wilden" gegen den "untauglichen" Charakter auszuspielen, beide Lebensauffassungen zu testen. Dabei sind die handelnden Figuren keine Sprachröhren, sie werden durch Bulytschows Fähigkeit zu lebendiger Personengestaltung zu faßbaren Menschen. Um die tut es einem fast leid, als die Erzählung abbricht, nachdem das Ziel in mehrfacher Hinsicht erreicht ist. Das Schiff ist erreicht, und die Barbarei, die aus Nichtwissen entsteht, ist bloßgestellt. Dies um so schonungsloser, wenn sie aus dem Willen, nicht wissen zu wollen, entsteht.
Noch eine Bemerkung zu den Illustrationen der beiden Bändchen, die sich kraß unterscheiden. Während die zu "Die lila Kugel" angemessen erscheinen (Kinderbuchverlag), sind die zu "Der Gebirgspass" wohl die am wenigsten überzeugenden, die ich je in einem SF-Buch fand.. Das hat Bulytschows Buch kaum verdient.